Bunker an der B9

Bei der Luftschutzanlage an der Ortseinfahrt von Stürzelberg auf der B9 handelt es sich eigentlich um keinen Bunker sondern um einen Deckungsgraben.
Ursprünglich war dieser für die Bewohner des Ortes Stüttgen gedacht.

Unser Verein betreut die Anlage, die im Jahr 2022 durch den Neusser Graffiti Künstler Oldhaus zu einem Kunstwerk umgestaltet wurde.

Über Stüttgen

Seit 1816 bestand die Gemeinde Uedesheim aus den Orten Uedesheim, Macherscheid und Stüttgen, die wiederum zur Bürgermeisterei Grimlinghausen gehörte. 

1929 wurde die Gemeinde Uedesheim in die Stadt Neuss eingemeindet, wobei der Ort Stüttgen dem Amt Norf und somit dem Landkreis Grevenbroich zugesprochen wurde. 

Mit der großen Eingemeindungswelle 1975 kam das Amt Norf an die Stadt Neuss und der Ort Stüttgen wurde wie Macherscheid ein Teil des Stadtbezirkes Uedesheim.

Mit diesem Akt verschwanden Macherscheid und Stüttgen als eigenständige Orte von der Landkarte und gehören seitdem zu Uedesheim. Im September 1950 zählte das rund 1.000 Meter lange Straßendorf Stüttgen 272 Einwohner.


Als Stüttgen im Laufe des Jahres 1943 zwei Deckungsgräben erhielt, wurden diese jeweils am Anfang und am Ende des Ortes errichtet. So teilten sich die Einwohner entsprechend der kürzesten Entfernung auf die beiden Schutzräume auf. Beide Baugrundstücke befanden sich in Privatbesitz. Im Norden war es Weideland und im Süden eine Sandgrube. Gemäß den damals geltenden Gesetzen waren die Besitzer zur Hergabe ihrer Grundstücke für Luftschutzzwecke verpflichtet.

Im Gegensatz zur Stadt Neuss, die bedingt durch ihre Industrie, den Hafen und Bahnhof schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzort erster Ordnung galt, waren die Orte des heutigen Uedesheims, Luftschutzorte der dritten und somit der letzten Ordnung.
Diese Kategorisierung hatte unmittelbare Auswirkungen auf die baulichen Luftschutzmaßnahmen, die dem Schutz der Bevölkerung dienen sollten. Während in Luftschutzorten erster Ordnung schon vor Beginn des Krieges Schutzräume und insbesondere nach dem 1940 ausgerufenen Führersofortprogramm Hochbunker gebaut wurden, mussten sich die übrigen Orte mit der behelfsmäßigen Herrichtung von Luftschutzkellern begnügen. Ursache hierfür war die fehlende Zuteilung von Baumaterial und Arbeitskräften, die streng an die Einordnung gekoppelt war. Dieser Umstand ändert sich erst im Frühjahr des Jahres 1943. Als durch die Kriegsbeteiligung der USA die Luftangriffe auf deutsche Wohngebiete, Industrieanlagen und die Infrastruktur immer mehr zunahmen, war der NS-Staat dazu gezwungen, das Verbot zum Bau von Luftschutzbauten außerhalb
bestehender Gebäude wieder aufzuheben.

Baugeschichte der Deckungsgräben in Stüttgen

Die Baugeschichte des nördlichen Deckungsgrabens an der heutigen Ortseinfahrt von Uedesheim ist dank einiger Zeitzeugengespräche recht gut dokumentiert. Gebaut wurde er auf dem Weideland der Familie Nix, die an der Kreuzung eine Hofanlage bewohnte und dort von 1878 bis 1958 im Nebenerwerb zur Landwirtschaft, eine Rübenkrautfabrik betrieb.6 Das
Luftbild aus den 1950er Jahren zeigt den Vierkanthof und im unteren linken Bildrand den Notausgang des Deckungsgrabens auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Landwirt
und Familienvater Christian Nix wurde im Gegensatz zu seinem Bruder Willi Nix nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Er blieb mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern während des ganzen Krieges in Stüttgen.
Gründe für seine Freistellung waren seine Tätigkeit als Landwirt und Rübenkrautproduzent sowie die Weiterführung der Kohlehandlung seines Bruders Willi in Uedesheim.8 Mit den Bauarbeiten des Deckungsgrabens wurde im Sommer des Jahres 1943 begonnen. Das Foto zeigt den Beginn der Erdarbeiten. Im Hintergrund ist der Hof der Familie Nix zu erkennen. Christan Nix steht mit einem Spaten links und seine Frau im Vordergrund des Bildes. Ob es sich bei den Männern in der Baugrube um Zwangsarbeiter oder Einwohner von Stüttgen handelt, ist nicht überliefert.

Ebenso unbekannt ist die genaue Dauer der Bauarbeiten. Fest steht, dass sich die Sohle des
Deckungsgrabens auf einer Tiefe von 4,15 Meter befindet und sich die Anlage über eine Länge von ca. 23 Metern erstreckt. Der Deckungsgraben verfügt über einen schikanierten Treppenabgang, der in die Gasschleuse führt, welche wiederum nach außen mit einer Gasschutztür aus Stahlblech versehen ist. In der Gasschleuse befindet sich ein Wasseranschluss und der dazugehörige Abfluss. Ein Waschbecken ist nicht mehr erhalten geblieben. Durch eine aus Holz gefertigte Gasschutztür betritt man den ersten Schutzraum. Der rund 11 m² große Raum hat ein rechteckiges Profil mit einer Raumhöhe von 2,05 Meter. Er ist durch eine Splitterschutzwand von dem ebenfalls 11 m² großen zweiten Schutzraum getrennt. An seinem Ende befindet sich der Notausstieg, der wieder durch eine hölzerne Gasschutztür gesichert ist. Der Ausstieg erfolgt senkrecht über Steigeisen und führt, wie
auch der Eingang, zur Bundesstraße B9. Angesichts der überaus professionellen Bauausführung und Ausstattung ist davon auszugehen, dass der unterirdische Schutzraum mit Hilfe oder unter Anleitung eines Bauunternehmers errichtet wurde.

Ausstattung 

Der Treppenabgang führt 23 Stufen in die Tiefe. Beidseitig sind Handläufe aus Eisenrohren angebracht. Vor der Gasschleuse ist eine aus Stahlblech gefertigte Standard Gasschutztür eingesetzt. Sie ist in einem sehr guten Zustand und lässt sich auch 80 Jahre später noch problemlos bewegen und öffnen bzw. verschließen. Ein Typenschild ist nicht vorhanden.
Innerhalb der 2,6 m² großen Gasschleuse befindet sich eine Wasserleitung samt
Wasserhahn. Als Abfluss wurde ein Tonrohr in den Boden eingelassen. Der Wasseranschluss diente der Familie Nix noch in der Nachkriegszeit zum Befüllen der Viehtränken. Auch befinden sich hier Holzregale, die zur ursprünglichen Ausstattung gehörten.
Die hölzerne Gasschutztür vor dem Schutzraum weist auf der Innenseite Beschädigungen auf. Wahrscheinlich wurde sie in der Nachkriegszeit mit Luftgewehren oder Pistolen beschossen. Ansonsten ist die Tür in einem guten Zustand. Selbst das Dichtungsband ist noch vorhanden. Beide Schutzräume verfügen noch über die ursprünglich angebrachten Holzregale, die allesamt in einem sehr guten Zustand sind. Darüber hinaus sind die originalen
Lüftungsverschlüsse noch vorhanden. An einigen ist sogar noch ein Schild mit dem Hinweis „Vertrieb gem. §8 Luftsch. Ges. Kenn-Nummer RL3-38/149“ erhalten. Die RL-Nummer gibt Aufschluss über den Hersteller und die Funktion. In diesem Fall handelt es sich um Schornstein-Reinigungsschieber einwandig, gassicher, aus 4mm Stahlblech mit Zarge aus Winkelstahl, die von der Firma Otto Schöbe in Halle an der Saale produziert wurden. 10 Die Schieber fanden hier ihre Verwendung als Lüftungsverschlüsse, sie konnten mittels Schraube und Bügel gasdicht verschlossen werden. Gegenüber der Steigeisen im Notausstieg ist
eine ca. 1 m² große Nische angelegt. In ihr könnte ein Trockenklosett zur Verrichtung der
Notdurft gestanden haben. Die Steigeisen führen in einem leichten Winkel senkrecht ca.
4,50 Meter nach oben.