Mahnmal Raphaelshaus
Bei diesem Projekt handelt es sich um eine Kooperation zwischen dem Raphaelshaus in Dormagen und dem Verein Luftschutzanlagen Rhein Kreis Neuss.
Sie möchten diese Luftschutzanlage besuchen? Infos zu Fühungen finden Sie hier:
Zum Schutz der Insassen und Patienten begann Mitte 1943 der Bau von drei Bunkern. Zwei davon sind betonierte Deckungsgräben vom Typ „Rheinhausen“, der dritte befindet sich direkt am Raphaelshaus und ist von dort über eine Rampe erreichbar. Die Bunker wurden 1944 fertiggestellt und kosteten ca. 66.000 Reichsmark. Diese hohe Summe wurde vom Raphaelshaus und der Stadt Dormagen aufgebracht.
Beim Bau wurden Soldaten der Wehrmacht eingesetzt. Ab Mitte des Jahres 1944 häuften sich die Luftalarme. Die Gefahr durch alliierte Bomber nahm durch die Nähe zur Front in Frankreich zu. Daher wurden ca. 600 Kinder evakuiert, nur die älteren Jugendlichen blieben. Es waren nun Mitarbeiter und betreute Jugendliche sowie Insassen des Lazaretts, die hier Zuflucht vor den Bomben suchten. Mit Zunahme der Luftalarme und vor allem mit Näherrücken der US- Truppen Ende Februar und Anfang März 1945 suchten auch Menschen aus den umliegenden Dörfern Schutz vor dem Krieg.
Die Pläne zeigen, dass der Bunker einem betonierten Deckungsgraben vom Typ „Rheinhausen“ entspricht. Dieser Bautyp wurde erstmals unter dem Marktplatz des
Duisburger Ortsteils Rheinhausen und dann in verschiedenen Ausführungen sehr häufig am Niederrhein gebaut.
Die Anlage besteht aus vier hintereinander versetzt angeordneten Röhren mit je zwei Zugängen und Gasschleusen sowie zwei Notausstiegen. Durch die Wand- und Deckenstärken von ca. 1,40 Metern und die Erdüberdeckung von ca. 4 Metern ist der Schutzgrad gegen Bomben recht hoch, wenn auch wahrscheinlich nicht sicher gegen Volltreffer. Jede der vier Röhren fasste 50 Schutzsuchende, so dass insgesamt 200 Personen bei Fliegeralarm dort Platz fanden.
Grundriss und Querschnitt des Deckungsgraben
Ende des Jahres 2017 entdeckten wir bei Recherchen im Archiv des Rhein Kreis Neuss eine Auflistung von Bunkern in Dormagen. Hier waren drei auf dem Gelände des Raphaelshauses eingetragene Luftschutzanlagen zu finden. Diese weckten unser Interesse.
Nach einer Kontaktaufnahme mit dem stellvertretenden Leiter der Raphaelshauses, Herrn Mastalerz, konnten wir davon zwei Anlagen begehen und dokumentieren. Die Position der dritten Anlage war zwar bekannt, jedoch hatte man die Eingangsbauwerke in den 70er Jahren verschlossen und zu Spielgeräten umgebaut.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich niemand für diese unterirdischen Bauwerke interessiert.
Im Rahmen weiterer Recherchen fanden wir unter anderem alte Fotos, welche den Bau der Anlagen beim Raphaelshaus dokumentierten. Unterstützt wurden wir dabei auch vom ehemaligen Leiter des Raphaelshauses, Herrn Scholten. Viele Informationen, welche wir von Herrn Scholten erhielten, wären ansonsten über die Jahre wohl verloren gegangen.
Im Frühjahr des Jahres 2018 wurden die Spielgeräte an den Eingangsbauwerken des verschlossenen Bunkers erneuert. Aufgrund unserer vorherigen Begehungen und des Interesses an der Geschichte des Raphaelshauses bekamen wir die Möglichkeit, auch diese - seit über 50 Jahren verschlossene - Anlage zu dokumentierten.
Dabei fanden wir einige Relikte aus der Zeit, als hier die Verletzten und Verwundeten bei Überflügen der alliierten Flugzeuge in den 1940er Jahren Schutz gesucht hatten. Darunter befanden sich zum Beispiel eine große Anzahl von sogenannten Volksgasmasken, der VM-37, sowie eine gut erhaltene Sitzbank.
Die Bauweise der Sitzbank war auf die Gegebenheiten des Bunkers abgestimmt und dürfte ein einzigartiger archäologischer Fund sein. Nach seinem Entdecker wurde diese Sitzgelegenheit für vier Personen Rosellen Bank benannt. Die Einzigartigkeit des Fundes wurde auch vom LWL-Archäologie für Westfalen bestätigt.
Zusätzlich konnten wir den Fund verschiedener Zeitungen sowie Verpackungen aus der Zeit der Besetzung durch die Soldaten der alliierten Streitkräfte dokumentieren. Dabei wurde auch jeweils die genaue Fundposition der Stücke in den Räumen vermerkt.
Nach unserer Begehung sollte die Anlage eigentlich wieder verschlossen werden, aber Herr Bragard, ein Pädagoge der zum Raphaelshaus gehörenden Schule, verfasste ein Konzept zur weiteren Nutzung des Bunkers. Herr Bragard hatte in der Vergangenheit schon die Geschichte eines im Raphaelshaus untergebrachten jüdischen Jungen, Rudolf Euteneuer, aufgearbeitet.
Herr Bragard und Herr Mastalerz baten uns als Experten auf dem Gebiet des Luftschutzes im ländlichen Raum um Unterstützung bei diesem Projekt.
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Mehr Informationen über die Erinnerungstätte am Raphaelshaus und das Jugendhilfezentrum Raphaelshaus Dormagen sind unter https://www.raphaelshaus.de/ zu finden. Der Download des Begleitbuch zur Erinnerungsstätte im Raphaelshaus ist dort auch möglich.
Luftschutzanlage bei Erstbegehung, hier die gefundenen Gasmasken
Luftschutzanlage bei Erstbegehung, hier die gefundenen Gasmasken
Gasmaske mit abgelösten Luftfiltern links und rechts
Luftschutzanlage bei Erstabegehung, hier die Reste der Sitzbänke
Rosellen Bank
Funde in der Luftschutzanlage auf dem Gelände des Raphaelshauses